Worum geht es bei der Netzbeurteilung im Detail?
Massnahmen und Möglichkeiten für Netzbetrieb & Netzbauplanung
Auswirkungen Klima- und Energiestrategie des Bundes und des Landes Tirol
Die Netzeinspeisung und Spannungshaltung im Verteilnetz ist in der nachstehenden Grafik dargestellt (nachstehende Bilder gemäß VDE-Anwendungsregel 4105):
Das Netz (Anzahl der Stationen, Anzahl / Querschnitt / Länge von Leitungen) wird so dimensioniert, dass das gesamte, zulässige Spannungsband am gesamten Abzweig von 230 V ±10% und damit bei allen Kund/innen eingehalten wird.
Vor der Energiewende waren in erster Linie Lasten (Verbraucher) ans Netz angeschlossen, diese bewirken einen Spannungsabfall entlang der Leitungen. Der Netzbau (Leitungsdimensionierung, Anzahl Trafostationen, Regelungen) ist damit bislang so ausgelegt, dass 2/3 des Spannungsbandes für den Spannungsabfall reserviert ist.
Zusätzlich muss natürlich die Strombelastbarkeit der Betriebsmittel im Netz aller angeschlossenen Verbraucher ausreichend dimensioniert sein. In ländlichen Gebieten ist aber in erster Linie die Spannungseinhaltung das Dimensionierungskriterium und weniger die Strombelastbarkeit (Überlastung) von Betriebsmittel.
Mit der Energiewende und der Integration der vielen dezentralen Einspeiseanlagen ändert sich die Anforderung an den Betrieb grundlegend: Im Verhältnis zu den Lasten sind viel mehr Einspeiser zu berücksichtigen. Wenn Verbraucher im Netz entlang der Leitungen einen Spannungsabfall verursachen, entsteht durch eine Einspeisung eine Spannungsanhebung:
Betriebs- und Planungsanforderung in Folge von Einspeisern:
Die maximal zulässigen Spannungsgrenzen von 230 V ±10% entlang der gesamten Leitung sind zu jedem Zeitpunkt einzuhalten. Einspeiser bewirken einen Spannungsanstieg entlang der Leitungen, leider nicht stets zeitgleich mit dem Verbrauch, daher sind die Netze für beide Fälle (getrennt) auszulegen bzw. steht (plakativ) nur mehr jeweils das halbe Spannungsband für Verbrauch bzw. Einspeisung zur Verfügung.
Beispielsweise wird an sonnigen Sonn- oder Feiertagen im Sommer die PV-Einspeisungen in einem Netzbereich maximal ausfallen, wobei allerdings die Verbraucher minimal Leistung beziehen (Firmen, Betriebe sind geschlossen, die Menschen liegen in der Sonne beim Baden).
Hingegen findet an trübenTagen oder am Abend unter der Woche nur minimale PV-Einspeisung statt, die Verbraucher (Betriebe, E-Ladungen, ggf. Heizungen /Wärmepumpen, etc.) haben an Wochentagen während der Betriebszeiten und vor allem im Winter einen hohen Leistungsbezug. Im nachfolgenden Schaubild sind beide Fälle dargestellt:
Die ersten 4 Aufzählungspunkte entsprechen in Analogie zum Straßenverkehr den intelligenten Verkehrsleitsystemen, der 5. Punkt dem Straßenbau/der Straßenverbreiterung als Abhilfemaßnahmen.
Die Netzbetreiber werden in ihren Netzen einen Mix aus den erwähnten Möglichkeiten anwenden. Mit entsprechenden Netzentwicklungssimulationen wird hierfür die wirtschaftlichste Vorgangsweise ermittelt und in den Ausbauplänen dann entsprechend verankert und zur Umsetzung gebracht.
In Folge dieser breitflächigen und andauernden Entwicklungen werden die Verteilernetze, vor allem aber auch das Niederspannungsnetz insgesamt und auf breiter Basis zu ertüchtigen sein. In der nachfolgenden Grafik ist am Beispiel einer Gemeinde ersichtlich, wie sich diese Entwicklung flächenhaft darstellt:
Die Entwicklung der Integration von E-Ladesäulen im Privatbereich und von Wärmepumpen als alternative Heizsysteme kann und wird sich ähnlich breitflächig entwickeln.
In Folge werden sich Netzbereiche ergeben, wo trotz Anwendung der von zuvor angeführten Regelungs- und Verbesserungsmöglichkeiten keine zusätzlichen Einspeisungen bzw. Lasten ohne vorherigem Netzausbau möglich sein werden.
Parallel dazu müssen die Netzbetreiber somit den laufenden Betrieb geeignet überwachen, um dadurch entstehende Verletzungen des Regelbetriebes zu erkennen und frühzeitig Maßnahmen zu setzen. Neben dem Netzausbau ist das z.B. der Einsatz von Betriebsmittel zur flexibleren Spannungsregelung im Niederspannungsnetz (Längsregler, regelbare Ortsnetztrafos, massive Automatisierung im Niederspannungs-Netzbetrieb etc.). Erste Pilotanwendungen dazu sind bereits im Einsatz.
Die Netzbetreiber werden diese Anforderungen flächendeckend und gleichzeitig nicht im geforderten Ausmaß schaffen, zudem sind massive Produktions- und Lieferengpässe zu erwarten, da alle Netzbetreiber, Erzeuger, Kunden europaweit auf die selben Produktionsfirmen mit massiven Bestellvolumina zukommen werden. Es wird also in Folge auch Beschränkungen für den Anschluss der Anlagen geben müssen, bis erforderliche netztechnischen Maßnahmen in betroffenen Gebieten umgesetzt sind. Entsprechende terminliche Regelungen finden sich im ElWOG.
In der Ausbaustrategie des Stromnetzes der TINETZ sind die Ziele des Bundes und des Landes Tirol zur Energie-, Wärme- und Mobilitätswende berücksichtigt und für diese Entwicklungen der zur Umsetzung notwendigen Ressourcenbedarf für alle betroffenen Bereiche abgeschätzt.
Als Kernpunkte zur Umsetzung der Klima- und Energiestrategie kann indikativ festgehalten werden:
Eine Umsetzung ist aktuell noch nicht fixiert. Dazu muss der Regulierungsrahmen für die nächsten Dekaden darauf ausgerichtet sein, diese enormen Anstrengungen auch betriebswirtschaftlich umsetzen zu können. Die Gespräche mit der Regulierungsbehörde Energie-Control-Austria (ECA) laufen. Darüber hinaus müssen die Eigentümer den Netzbetreiber die erforderlichen Investitionsmittel auch bereitstellen – für die Konzern-Mütter im Lichte der eigenen Herausforderungen für die Errichtung von Erzeugungsanlagen eine Frage der Machbarkeit im Rahmen der Konzern-Finanzierung und dabei vor allem auch der dazu erforderlichen Fremdmittelbeschaffung.
Die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen und Parameter für die kommende Regulierungsperiode ab 2024 durch die Regulierungsbehörde Energie-Control-Austria (ECA) wurden im Herbst 2023 festgelegt. Ein wesentlicher Baustein für die Umsetzung der Herausforderungen aus der Energie-, Wärme- und Mobilitätswende wurden in der neuen Regulierungssystematik berücksichtigt. In der neuen Regulierungssystematik wird es ab 2024 einen Betriebskostenfaktor geben, welcher die Aufwendungen und Kosten für den PV Ausbau angemessen berücksichtigt. Für die Umsetzung der Klima- und Energiestrategie des Landes Tirol werden sich die Systemnutzungstarife der TINETZ in Folge des abgeleiteten Investitionsbedarfs erhöhen. Dabei ist festzuhalten, dass durch die Regulierung der Netzbetreiber in den letzten 20 Jahren eine reale Senkung der Systemnutzungsentgelte (SNE) erwirkt werden konnte1 und die prognostizierte Verdoppelung in den nächsten 15 – 20 Jahren in Folge der notwendigen Investitionen die SNEs nominell (also unter Berücksichtigung der Inflationsentwicklung in diesem Zeitraum) nicht über den Ausgangswert zum Start der Regulierung der Energiemärkte aus dem Jahr 2000 steigen lassen.
Die neuen Regulierungsvorgaben für die 5. Regulierungsperiode werden diese Anforderungen unterstützen, um eine Umsetzung wirtschaftlich möglich zu machen.
Die Situation der Einspeiseanfragen ist in allen Bundesländern und bei allen Netzbetreibern im Grunde ähnlich gelagert. In Ballungsbereichen mit hoher Lastdichte („städtische“ Versorgungsgebiete) ist die Integration der zusätzlichen, dezentralen Einspeisungen betrieblich leichter machbar als in dünn besiedelten Gebieten mit langen Versorgungsleitungen und geringer Lastdichte („ländliche“ Versorgungsgebiete). Daher werden in den Medien überwiegend Probleme bei der PV-Integration bei ländlichen Netzbetreibern evident.
1 Die Kostenvorteile sind nicht bei den Netzkunden direkt und "im Geldbörserl spürbar" ange-kommen, weil die Bundesregierung im gleichen Zug relevante Abgaben (Ökostromförderbei-träge, Erneuerbaren Förderbeiträge, …) erhöht hat. Positiv dabei anzumerken ist, dass erhöh-ten Abgaben auch in der Vergangenheit wichtigen Maßnahmen zur Unterstützung der Ener-giewende zweckgewidmet wurden.